25 | 04 | 2024

Biographie Adelheid von Vilich

von Dr. Norbert Schloßmacher, erschienen auf

www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/A/Seiten/AdelheidvonVilich.aspx

 

Adelheid ist die früheste Bonnerin, über die sich eine biographische Skizze schreiben lässt. Wichtigste Quelle hierfür ist die um das Jahr 1057 entstandene Lebensbeschreibung „Vita Adelheidis“. Ihre Verfasserin ist die aus vornehmer rheinischer Familie stammende Bertha, eine Schwester des Abtes Wolfhelm von Brauweiler, die ihren eigenen Worten zufolge in ihrer Kindheit eine Schülerin Adelheids gewesen war. Berthas Motiv war dabei, für die nicht nur bei ihr in hohem Ansehen stehende Adelheid eine adäquate Erinnerung zu schaffen, den Kölner Erzbischof Anno II. über das heiligmäßige Leben Adelheids zu informieren und ihn zur Genehmigung ihrer liturgischen Verehrung zu veranlassen.

Adelheid war das jüngste von fünf Kindern des adeligen Ehepaars Gerberga und Megingoz. Der Bruder Gottfried starb auf dem Böhmenfeldzug Ottos II. (Regierungszeit 973-983) 976/ 977. Die beiden Schwestern Irmintrud und Alverad heirateten standesgemäß, die Schwester Bertrada war Ordensfrau, später Äbtissin des Kölner Stifts Sankt Maria im Kapitol.

Die Mutter Gerberga stammte aus edelstem Geschlecht (nobilissimo germine), wie es in der „Vita Adelheidis“ heißt. Neueren Forschungen zufolge war sie die Tochter des lothringischen Pfalzgrafen Gottfried und eine Nichte des Kölner Erzbischofs Wichfried (Episkopat 924-953); sie hatte karolingische und liudolfingische Vorfahren. Über den Vater Megingoz, der zuweilen als Graf (comes) tituliert wird, offenbar jedoch dem niederen Adel entstammte, ist weniger bekannt. Er scheint aus dem niederrheinischen Geldern zu stammen, zumindest hatte seine Familie dort Besitz.

Adelheid, geboren nach 965 und vor 970, trat – wie seinerzeit üblich – bereits als Kind in das Kölner Stift Sankt Ursula ein, wo sie, so wird berichtet, durch besonderen Eifer und besondere Ernsthaftigkeit aufzufallen wusste. Ihr Interesse an Bildung, sowohl der eigenen als auch an der der ihr Anvertrauten, war groß; es heißt, sie habe sich schon früh in den „Hallen der Philosophie“ bewegt. Ganz offenbar war es der Tod des einzigen Sohnes und Erben Gottfried auf dem Schlachtfeld, der Adelheids Eltern dazu bewog, vermutlich im Jahr 978 auf ihrem Grund und Boden in (Bonn-)Vilich ein Frauenkloster zu gründen und die entsprechenden Gebäude errichten zu lassen.

Mittelpunkt der Neugründung war ein dort bereits seit dem 8. oder 9. Jahrhundert befindliches Kirchlein, das als Friedhofskapelle, vielleicht sogar schon als Pfarrkirche genutzt worden war. Im Januar 987 auf dem Hoftag zu Andernach wurde dieses neu gegründete Institut König Otto III. (Regierungszeit 996-1002) übergeben: „aus der adeligen Familiengründung“ wurde „ein Reichsstift“. Die aus diesem Anlass vom König gewährte Immunität bedeutete eine besondere Privilegierung der Vilicher Kirche und ist zugleich der früheste Beleg für ihre Existenz. Erste Äbtissin wurde Adelheid, die Tochter des Gründerpaares, die hierfür aus dem Stift Sankt Ursula „freigekauft“ werden musste.

Noch während der Gründungsphase scheint es zu Spannungen um den Charakter der Vilicher Kirche gekommen zu sein; während insbesondere die Mutter Gerberga eine strengere klösterliche Disziplin wünschte, fühlte sich Adelheid gewiss nicht zuletzt aufgrund ihrer Erziehung in Köln zu der etwas freieren Form des stiftischen Lebens berufen. Erst Jahre nach dem Tod der Mutter (vor 996) führte Adelheid das strengere Regelwerk der Benediktiner und damit den Schleier in Vilich ein. Drei Jahre nach seiner Frau starb auch Megingoz; beide wurden in der Vilicher Kirche beigesetzt.

Der anfängliche Widerstand gegen die elterlichen Vorstellungen kann dabei durchaus als emanzipatorischer Akt verstanden werden. Überhaupt muss Adelheid auch bei kritischster Betrachtung ihrer „Vita“ als außergewöhnliche Frau ihrer Zeit betrachtet werden. Die hingebungsvolle und demütige Haltung ihren Mitschwestern gegenüber, ihr großes soziales Engagement sowie der hohe Wert, den sie auf einen qualitätvollen Unterricht legte, sind, um nur diese Beispiele zu nennen, mehr als nur bemerkenswert.

Legendär und durch die „Vita“ nicht überliefert ist Adelheids Tun in Pützchen, wo sie während einer Dürre eine Quelle (lateinisch puteus) zum Sprudeln gebracht haben soll; allerdings ist erst für das Jahr 1367 vom sente Aleyte born in Pützchen in den Quellen die Rede.

Während der Amtszeit des Kölner Erzbischofs Heribert, vielleicht um das Jahr 1003, übernahm Adelheid nach dem Tod ihrer Schwester Bertrada zusätzlich zu ihrer Funktion in Vilich auch die Leitung des Stifts Sankt Maria im Kapitol in Köln. Dort starb Adelheid an einem 3. Februar (Fest des heiligen Blasius), vielleicht im Jahr 1015, wo sie auf Wunsch Erzbischof Heriberts auch beigesetzt werden sollte. Auf das Drängen der Vilicher Schwestern hin wurde Adelheid jedoch in Vilich bestattet, und zwar ihrem Wunsch entsprechend nicht in der Stiftskirche, sondern bescheiden im Kreuzgang.

Folgt man weiter dem Bericht ihrer Biographin Bertha, so ereigneten sich schon bald nach Adelheids Tod an ihrem Grab beziehungsweise auf ihre Fürsprache hin zahlreiche Wunderheilungen, die erste Wallfahrer und Pilger nach Vilich führten. Die Anlage war dem Andrang nicht gewachsen; der Leichnam Adelheids wurde nicht nur in die Kirche umgebettet (Bau einer Ringkrypta), es wurde gleichzeitig ein neues, deutlich größeres Gotteshaus (Fertigstellung um 1040) errichtet, zugleich ein Hinweis auf die mit der Verehrung Adelheids einhergehende Prosperität des Klosters.

Offenbar ebbte der öffentliche Kult um Adelheid im Laufe des Mittelalters ab. Der Bau der Adelheidiskapelle, des ältesten Bauteils der heutigen Vilicher Kirche, und die erneute Translozierung der Gebeine zu Beginn des 13. Jahrhunderts belegen jedoch die ungebrochene Tradition in Vilich selbst. Bei der Altarweihe in diesem Kapellenraum im Jahre 1222 ist auch die Rede vom altare sancte Aleidis, ein eindeutiger Beleg für eine – wann auch immer – erfolgte „Heiligsprechung“ auf Bistumsebene. Eine Beteiligung Roms und der Weltkirche an einer Kanonisation war zu dieser Zeit noch nicht notwendig.

Endgültig seit dem 17. Jahrhundert wurde der erwähnte Brunnen in Pützchen das Ziel von Pilgern und Wallfahrern, wo zunächst Eremiten, später ein von der Vilicher Äbtissin eingesetzter Geistlicher, schließlich ein vom bergischen Herzog gestifteter Karmeliter-Konvent die Betreuung der Frommen übernahm. „Pützchens Markt“, bis heute einer der größten Jahrmärkte in Deutschland, entstand vor diesem Hintergrund. Vilich hatte seine Bedeutung als Pilgerziel spätestens 1641 verloren, als man das Grab der Heiligen in der Vilicher Stiftskirche öffnete und feststellen musste, dass es leer war. Der Verbleib der Reliquien und der Zeitpunkt ihres Verlustes, möglicherweise im Truchsessischen Krieg am Ende des 16. Jahrhunderts, blieb ungeklärt.

Bei der Neuweihe der vormaligen Kloster- und nunmehrigen Pfarrkirche in Pützchen (Sankt Adelheid-Patrozinium) im Jahre 1897 fiel auf, dass Adelheid nicht im „offiziellen“ Heiligenkatalog stand. Das jahrzehntelange Bemühen um eine förmliche Kanonisation fand durch ein entsprechendes Dekret des Heiligen Stuhls vom 27.1.1966 ihren Abschluss. Mit Urkunde vom 8.9.2008 wurde Adelheid seitens der römischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung neben den römischen Märtyrern Cassius und Florentius zur dritten Stadtpatronin von Bonn erhoben.

 

 

Biographie Adelheid von Vilich, tabellarisch

 

  • um 970 wird Adelheid in Geldern am Niederrhein geboren;
  • sie wächst dort mit ihrem Bruder und ihren drei Schwestern auf;
  • der Vater fällt zeitweise beim Kaiser in Ungnade, wird aber wieder in seine Rechte eingesetzt;
  • mütterlicherseits ist Adelheid mit dem Kaiserhaus verwandt; die Hl. Kaiserin Adelheid könnte ihre Patentante gewesen sein;
  • Adelheid erhält ihre Erziehung im Kloster St. Ursula in Köln; dort wird sie in Musik, Gesang, der Hl. Schrift und allen damals bekannten Wissenschaften unterrichtet;
  • 977 Tod des Bruders Gottfried im Böhmenfeldzug Otto`s II. ;
  • die Eltern „stiften“ sein Erbe und gründen auf ihrem Besitz zwischen Siegmündung und Rhönbach ein Stift; dieses unterstellen sie dem Kaiser; Patronat: Hll. Cornelius und Cyprian
  • 987 erhebt Otto III. das Stift Vilich zum Reichskloster gleich den ottonischen Hausklöstern Quedlinburg, Essen und Gandersheim; dies bedeutet: Privileg der freien Wahl der Äbtissin und Bestellung des Vogtes (weltliche Gerichtsbarkeit);
  • Äbtissin des Stiftes in Vilich wird Adelheid;
  • ein Stift hat eine freiere Regel als ein Kloster; z.B.: Erlaubnis von eigenem Besitz und Bediensteten; ein Austritt und eine Heirat sind möglich;
  • Adelheid pflegt den Chorgesang und die Musik; Errichtung einer Klosterschule für Mädchen; Pflege von Armen und Kranken; Errichtung eines Hospitals; Armenspeisung und Armenbekleidung;
  • die Eltern drängen Adelheid, das Stift in ein (Benediktinerinnen-) Kloster umzuwandeln; Adelheid weigert sich, da Gott keine erzwungenen Opfer will, denn Adelheid liebt die schönen Kleider, wie ihre Vita berichtet.
  • 995 Tod der Mutter Gerberga; 998 Tod des Vaters Megingoz;
  • beide werden neben dem Sohn Gottfried in der Vilicher Klosterkirche beigesetzt;
  • nach dem Tode der Mutter erprobt Adelheid für sich unter Führung ihrer Schwester Bertrada (Äbtissin Maria im Kapitol) die Benediktinische Regel; es folgt die Umwandlung in ein Kloster; aber nicht alle Schwestern vollziehen diesen Schritt mit ihr;
  • um 1000 übernimmt Adelheid nach dem Tod ihrer Schwester Bertrada auf Bitten des Erzbischofs von Köln, des Hl. Heribert, und Intervention des Kaisers in Aachen auch die Leitung des Klosters Maria im Kapitol in Köln;
  • zwischen 1000 und 1010 erlebt das Rheinland große Dürrezeiten; auf ihr Gebet hin und durch den Stoß ihres Stabes, beginnt eine Quelle am Fuß des Ennertberges  zu sprudeln, die noch heute fließt und die dem Ort ihren Namen gibt: Pützchen (lat.: puteus: der Brunnen, die Quelle); Heilwasser gegen Augenleiden;
  • am 3. Februar 1015 erkrankt Adelheid und stirbt am 5. Februar in Köln; auf inständige Bitten der Schwestern in Vilich wird sie dorthin mit einem Schiffe überführt, das sich ohne menschliches Zutun mit ihrem Leichnam rheinaufwärts in Bewegung setzt; sie wird im Kreuzgang beigesetzt;
  • am 30. Tag nach ihrem Tod geschieht das erste Wunder: ein Blinder fällt versehentlich auf die Grabplatte und kann sehen; die Verehrung von Adelheid beginnt;
  • 50 Jahre nach dem Tod erfolgt die  Niederschrift der „Vita Adelheidis“ durch Schwester Berta, die hierfür noch Schwestern befragen konnte, die die Hl. Adelheid zu Lebzeiten kannten; (Abschriften aus dem Mittelalter heute in Brüssel und London);
  • um 1040 Errichtung des dritten Kirchbaus wegen der großen Pilgerscharen; Einbeziehung des Grabes der Hl. Adelheid in die Kirche; es wird eine Ringkrypta wie in Köln und Rom angelegt; dort wird der kostbarer Reliquienschrein für die Verehrung durch das Volk aufgestellt; Umbenennung der Kirche in St. Peter;
  • im 12. Jhd. Aufgabe der strengeren Ordensregel zugunsten der weniger strengen Stiftverfassung; Aufgabe der Ringkrypta; Verehrungsort der Reliquien der Hl. Adelheid nun: Adelheidiskapelle;
  • um 1260 wird mit dem Bau des gotischen Chores durch die Kölner Dombauhütte begonnen;
  • im 13. Jhd. Verlust der Selbstständigkeit des Stiftes Vilich; die Kölner Erzbischöfe übernehmen die Aufsicht; Vilich ist Brückenkopf des Kölner Erzbischofs, der in Bonn residiert; dadurch
  • Zerstörung und Brandschatzung der Kirche im Truchseßischen und 30jährigen Krieg; der kostbare Reliquienschrein geht verloren; die Wallfahrt verlagert sich mehr und mehr nach Pützchen; dort Wallfahrt im September um das Fest Mariä Geburt;
  • Wiederaufbau der Stiftsgebäude (1641/3); Wiederherstellung der Kirche in ihrer heutigen Gestalt (verkürztes Langhaus; barocker Turm 1700);
  • 1765 wird die Pfarrkirche St. Paulus - unweit der Stiftskirche - durch ein Hochwasser weggespült; Verlagerung des Pfarrgottesdienstes in die Stiftskirche; dort Aufstellung des Taufbrunnens aus der Pauluskirche;
  • 1804 erfolgt Aufhebung des Stiftes; St. Peter wird Pfarrkirche; Patronatsverpflichtung;
  • es erfolgen bis zum Ende des 19 Jhd´s zahlreiche Gemeindegründungen: Schwarzrheindorf, Beuel, Pützchen; Geislar; Hangelar;
  • das ehemalige Stiftsgebäude wird an Privatleute verpachtet; 1865 übernehmen Franziskanerinnen die Räumlichkeiten; 1876 wieder Privatbesitz; seit 1908 im Besitz der Cellitinnen; Seniorenwohnheim (Umbau im Januar 2001 fertiggestellt);
  • 1896 war die Altarweihe in Pützchen zu Ehren der Hl. Adelheid nicht möglich, da sie nicht von Rom offiziell als Heilige anerkannt ist; der Prozess zur Heiligsprechung zieht sich wegen der Weltkriege hin; in Köln wird der erste Teil vor Ende des 1. Weltkrieges abgeschlossen; Prälat Schlaffke führt ihn nach dem 2. Weltkrieg in Rom weiter;
  • am 27. Januar 1966 erfolgt Bestätigung des Kultes und der Verehrung der Hl. Adelheid durch den Papst; im Juni 1966 wird einen große Festwoche in Köln und Vilich gefeiert;
  • bis Anfang der 70iger Jahre Feier des Adelheidisfestes auch in Vilich im September; dann im Februar um ihren Todestag;
  • Vilich ist seit 1806 auch Sitz des Bürgermeisters; Verlagerung nach Beuel um die Jahrhundertwende; 1922 Umbenennung in Gemeinde Beuel; Adelheid ist Patronin der Stadt Beuel und nach der Neuordnung 1969 übernimmt die Stadt Bonn ihr zur Ehren die Stiftung einer Kerze;
  • Am 18. Oktober 1944 Bombenangriff auf Vilich; weitgehende Zerstörung der Kirche und des Pfarrhauses; Verlust gefundener Reliquien(?) der Eltern und des Bruders der Hl. Adelheid;
  • 1949-1955 Grabungen an und in der Stiftskirche; in diesem Zusammenhang: Umgestaltung des Kircheraumes;
  • 1958 Einbau der neuen Orgel (erste Riegerorgel im Rheinland);
  • 1959- 1965/6 Buntglasfenster W. Benner (s. Aachener Dom);
  • 1988 Aufstellung des wiedererrichteten Adelheidisaltares;
  • Restaurierung kostbarer Paramente aus der Barockzeit;
  • 1978 Feier „1000 Jahre Stift Vilich“;
  • 1999 Rückführung der Reliquienmonstranz aus dem Rokoko (Zylinder aus der Hochgotik) nach der Aufgabe des Karmels in Pützchen in die Vilicher Kirche;
  • 2003 Feier „1025 Jahre Stift Vilich“ zusammen mit dem Bonner Münster: Vollendung des Chores vor 850 Jahren;
  • 27. Januar bis 5. Februar 2006: 40 Jahre Bestätigung der Verehrung der Hl. Adelheid; Festmesse am Samstag, 28. Januar um 18.00 Uhr mit Erzbischof J. Meisner;
  • 8. September 2008 Erhebung der Hl. Adelheid von Vilich neben den. Hl. Cassius und Florentius zur Stadtpatronin von Bonn; Feierliche Verkündigung am 1. Advent 2008 durch Weihbischof Dr. Heiner Koch;
  • Festwoche zu Ehren der Stadtpatronin Adelheid vom 29. Mai bis 7. Juni 2009 in Vilich;
  • Wallfahrtsoktav im Zeichen der Stadtpatronin Adelheid in Pützchen vom 29. August bis 6. September 2009;